"Weniger die Kleidung. Mehr die Einstellung."

Der Stulpenstiefel | Herkunft und Funktion in der Jagdreiterei


Fragt man Reitersleute was ein Stulpenstiefel ist, so heißt es in der Regel: „Oben braun, unten schwarz.“

Die reine Stulpe an sich, wie man sie früher kannte, hat damit nichts zu tun. Ein klassischer Stiefel, wie er zu Zeiten des Militärs oder auch zur höfischen Jagd getragen wurde, war ein solcher, dessen Vorderseite bis weit über das Knie verlängert war.

Ähnlich den sogenannten „Overknees“ für Damen, lediglich mit dem Unterschied, dass der damalige Stulpenstiefel zwar über die Wade hinaus, bis oberhalb des Knies verlängert wurde, dieser aber unterhalb der Kniekehle endete und so lediglich die Front bis über das Knie reichte.


Bildquelle: Chamgrand.fr


Der Sinn einer verlängerten Vorderseite bestand ursprünglich sowie im militärischen Sinne unter anderem darin, Schutz vor Hieben mit der Waffe zu bieten. Gerade aber für die Jagd, waren sie, in Kombination mit einem langen Jagdrock, der ideale Schutz vor Ästen, Dornen und kalter Witterung. So konnte der Reiter warm und trocken gehalten und Verletzungen durch Äste weitgehend vermieden werden.

Befand sich der Reiter im Sattel, stellte die vordere Verlängerung des Stiefels keinerlei Beeinträchtigung für den berittenen Jäger dar. Musste dieser abseits des Pferderückens einen Hund im Dickicht suchen, schränkte ihn ein bis über das Bein gehende Leder deutlich in der Bewegung ein. Hierbei wurde die Verlängerung des Stiefels nach unten umgestülpt, worauf das helle Innenleder zum Vorschein kam, was also die Grundlage dessen ist, was wir heute einen Stulpenstiefel nennen.

In diesem Zuge lässt sich auch die Frage beantworten, weshalb die Dame traditionell zur Jagd keinen Stulpenstiefel trägt. Die stundenlange Hatz hinter lebendem Wild zur kalten Jahreszeit stellte sowohl ein erhöhtes Risiko als auch eine große Anstrengung für Reiter – egal welchen Geschlechts - dar. Der in hohem Tempo beliebte Querfeldeinritt war gefährlich, musste man doch alles im Weg befindliche Springen.

Das Ausharren in der nasskalten Natur über mehrere Stunden hinweg, verbunden mit einer möglichen Konfrontation eines sich auf der Flucht befindenden wilden Tieres, waren Situationen, denen sich die aristokratische Dame zu jener Zeit nur bedingt aussetzte, wenngleich sie dazu im Stande gewesen wäre. Angesichts des damals üblichen Seitsitzes einer Reiterin, die mit einem Beinkleid bis zum Knöchel ausgestattet war, hatte ein Stulpenstiefel darunter wenig Funktion.

Durch ihren langen Rock war sie vor Kälte, Nässe und Geäst geschützt, so dass ein bis über das Knie verlängerter Reitstiefel überflüssig war.

Philipp Jakob


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